Faktencheck zur CDU-Wahlkampfveranstaltung vom 04.04.2017

05.04.2017

Wir waren gestern bei der CDU-Wahlkampfveranstaltung im Bürgersaal zu Besuch und haben Ingbert Liebing (MdB) und Lukas Kilian (Landtagskandidat) aufmerksam gelauscht. Sicher ist es normal für eine Oppositionspartei, dass die Regierung in jedem zweiten Satz schlecht geredet wird. Bei einigen kommunalen Themen, die konkret unseren Ort betreffen, können wir das aber nicht einfach durchgehen lassen. Darum gibt es hier nochmal einen zweiten Faktencheck. Er berücksichtigt nachprüfbare Fakten – ob man den gedruckten Wahlprogrammen persönlich vertraut, ist natürlich eine andere Frage.

Behauptung 1: „Der SSW will Oststeinbek mit anderen Gemeinden zusammen legen.“

Eindeutig falsch. Der SSW wünscht sich eine Fusion von amtsangehörigen Kleingemeinden zu größeren Gemeinden mit „mindestens 8.000, eher aber 15.000-20.000“ Einwohnern. Oststeinbek als amtsfreie Kommune wäre davon aber nicht betroffen. Außerdem haben wir mehr als 8.000 Einwohner. Die Belege hierzu hatten wir schon gestern detailliert aufgearbeitet. Sie konnten auch auf der Veranstaltung nicht entkräftet werden. Insbesondere stützt das Wort „und“ im Satz „Damit würde die Zahl der Kommunen in Schleswig-Holstein von ca. 1.100 auf ca. 170 Kommunen sinken und die Ebene der Ämter ersatzlos wegfallen.“ (Kommunalreformbuch des SSW, S. 15) in keiner Weise die These, dass zusätzlich zur Reform der Ämter auch amtsfreie Gemeinden betroffen sein sollen. Wie wir bereits im Beitrag von gestern rechnerisch nachgewiesen haben, wird die Ziel-Anzahl von 170 Kommunen nämlich bereits dann erreicht, wenn ausschließlich die amtsangehörigen Gemeinden zusammen gelegt werden. Im Übrigen dreht sich das gesamte Reformheft des SSW klar erkennbar einzig und allein um die Probleme der Ämter.

Behauptung 2: „Die Regierungskoalition in SH hat bereits im aktuellen Koalitionsvertrag eine Gemeindereform mit einer Einwohnerzahl von mindestens 8.000 Einwohnern vereinbart.“

Stimmt so nicht. Im Koalitionsvertrag 2012-2017 ist auf Seite 51 vereinbart: „Wir wollen Kommunen Anreize für freiwillige kommunale Zusammenschlüsse schaffen. Wir streben dabei Gemeindegrößen von mindestens 8.000 Einwohnerinnen und Einwohnern an.“ Ja, die aktuelle Koalition wünscht sich größere Gemeinden. Anreize für freiwillige Zusammenschlüsse sind aber etwas anderes als eine Gemeindegebietsreform.

Behauptung 3: „Die Grünen wollen eine Gemeindegebietsreform.“

Stimmt so nicht. Im Landtagswahlprogramm 2017 begründen die Grünen – ebenso wie der SSW – zwar, dass die Ämter Reformbedarf haben. Die Formulierung auf Seite 76 ist aber butterweich und lässt keineswegs Schlüsse auf Zwangsfusionen zu, außerdem sind keine Mindestgrößen genannt: „Viele Gemeinden machen sich bereits auf den Weg, um in neuen Kommunalstrukturen ihre Aufgaben erfüllen zu können. Darin wollen wir sie unterstützen. Unser Ziel ist es, kommunale Strukturen zu ermöglichen, in denen die Kommunen ihre Aufgaben umfänglich selbst wahrnehmen können.“

Behauptung 4: „Die Reform des kommunalen Finanzausgleichs hat Oststeinbek mit über einer Million Euro pro Jahr mehr belastet.“

Falsch. Durch die Reform wurde Oststeinbek (zum Vergleichszeitpunkt 2015) mit 519.503,- Euro jährlich mehr belastet. Dies ist im PDF „Reformergebnis 2015“ auf Seite 12 unten zu lesen.

Behauptung 5: „Die CDU hat mit den Kreisen erfolgreich gegen das Finanzausgleichsgesetz geklagt.“

Stimmt, aber verschweigt auch wesentliche Punkte. Richtig ist, dass das Schleswig-Holsteinische Landesverfassungsgericht die Reform des Finanzausgleichsgesetzes (FAG) für teilweise verfassungswidrig erklärt hat. Richtig ist aber auch, dass die Anträge der Kläger zu großen Teilen zurückgewiesen wurden. Nur ein bestimmter Teilbereich der FAG-Reform war verfassungswidrig. Insbesondere nicht verfassungswidrig war z.B. die von der CDU explizit kritisierte besondere Berücksichtigung zentralörtlicher Funktionen, von der vor allem große kreisfreie Städte und Mittelstädte profitiert haben. Auch die Einführung von Soziallastenparametern, mit denen Zuweisungen an Kommunen stark an die Zahl der Sozialhilfe-Empfänger in ihrem Gebiet geknüpft werden, wurde als verfassungsgemäß erachtet. Wesentlicher Kritikpunkt des Landesverfassungsgerichts war die fehlende Berechnung des tatsächlichen Finanzbedarfs der Kommunen und des Landes: die Art und Weise der Verteilung wurde also nicht kritisiert, wohl aber die nicht nachvollziehbare Sachverhaltsermittlung, wie viel Geld insgesamt überhaupt wofür benötigt wird. Eine solche Berechnung hat es allerdings noch nie zuvor gegeben (auch nicht in der alten Version des FAG), so dass hier völliges Neuland betreten wird. Ob die CDU als Regierungspartei hier wirklich handwerklich anders oder besser gearbeitet hätte, ist zumindest fraglich.

Weitere Infos im Artikel bei beck-online sowie auf der Website der Landesregierung zum Finanzausgleich. Nachstehend die „Erfolgsquote“ der Kläger in der Übersicht.

Anträge in der Normenkontrollklage von CDU-, FDP- und PIRATEN-Fraktion (Urteil LVerfG 4/15)

  • § 2 Absatz 2 FAG ist verfassungswidrig: zurückgewiesen
  • § 3 FAG ist verfassungswidrig: hinsichtlich § 3 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 erfolgreich
  • § 4 FAG ist verfassungswidrig: hinsichtlich § 4 Absatz 1 Satz 1 erfolgreich
  • § 5 Absatz 2 FAG ist verfassungswidrig: zurückgewiesen
  • § 7 Absatz 2 ist verfassungswidrig: hinsichtlich § 7 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 und 2 erfolgreich
  • § 9 ist verfassungswidrig: hinsichtlich § 9 Absatz 1 erfolgreich
  • § 10 ist verfassungswidrig: zurückgewiesen
  • §§ 14-18 sind verfassungswidrig: zurückgewiesen

Anträge in der kommunalen Verfassungsbeschwerde der Landkreise Nordfriesland, Ostholstein und Schleswig-Flensburg (Urteil LVerfG 5/15)

  • § 9 Absatz 1 FAG ist verfassungswidrig: erfolgreich
  • § 9 in Verbindung mit § 7 Absatz 1 und Absatz 2 Nummer 1 und 2 FAG ist verfassungswidrig: hinsichtlich § 7 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 und 2 FAG erfolgreich
  • § 9 in Verbindung mit § 3 und § 4 Absatz 1 Nummer 2 FAG ist verfassungswidrig: zurückgewiesen
  • § 9 in Verbindung mit § 10 und § 4 Absatz 1 Nummer 3 FAG ist verfassungswidrig: zurückgewiesen