Die Wählergemeinschaft verteilt derzeit ein dramatisch gestaltetes Flugblatt zur geplanten Gewerbegebiets-Erweiterung am Willinghusener Weg. Bebildert ist es mit Fotos, die an die Baustelle der Hamburger Hafencity erinnern. Die OWG wirft plakativ die Frage auf, ob dieses knapp fünf Hektar große Gebiet, das am 13.09.2018 erstmals vom Investor in einer Bürgerveranstaltung der Öffentlichkeit präsentiert wurde, „Schleswig-Holsteins größtes Bauprojekt“ werden könnte. Diese Frage kann man sich beim Blick nach Barsbüttel und Stapelfeld leicht beantworten, wenn man die dortigen jeweils über zehn Hektar großen Gewerbeprojekte betrachtet.
Was stimmt aber ansonsten in diesem Flugblatt? Hier kommt der große SPD-Faktencheck!
Behauptung 1: „Das Gelände ist für den Bau freigegeben“
Derzeit existiert kein Bebauungsplan für das Gebiet. Der neue Bebauungsplan, zu dem am 24.09.2018 in öffentlicher Sitzung der Aufstellungsbeschluss gefasst wurde, befindet sich erst in der Entwurfsphase. Der Entwurf wurde am 30.09.2019 von der Gemeindevertretung zur öffentlichen Auslegung freigegeben. Vom 17.10.2019 bis 15.11.2019 war der Plan öffentlich ausgelegt und Bürger sowie Behörden konnten dazu Stellung nehmen. Diese Stellungnahmen werden nun von den Gremien der Gemeinde ausgewertet, diskutiert und abgewogen. Danach schließen sich wie bei jedem Bauleitplan noch zahlreiche weitere Planungsschritte sowie eine erneute öffentliche Auslegung an. Wir sind mitten in der Diskussion, niemand darf derzeit bauen, nichts steht fest.
Die Behauptung der OWG ist also falsch.
Behauptung 2: „Oststeinbek opfert seine Grünflächen“
Bei dem Plangebiet handelt es sich derzeit um intensiv landwirtschaftlich genutztes Ackerland, daher ist es naturschutzfachlich keinesfalls Grünland und hat eine ökologisch geringe Wertigkeit. Nach unserer Kenntnis ist das Ackerland nicht einmal zeitweise begrünt.
Die Behauptung der OWG ist also falsch.
Behauptung 3: „Der Grünzug verliert durch die Bebauung seine hervorragende Aufnahmekapazität für anfallendes Regenwasser“
Ackerland hat generell eine vergleichsweise schlechte Aufnahmekapazität für Regenwasser. Bei sämtlichen Starkregenereignissen der letzten Jahrzehnte war für jeden Laien (insbesondere in Havighorst) gut zu beobachten, wie noch lange nach dem Ende der Regenfälle die Feldmark „leerlief“, weil die Ackerflächen keine Aufnahmekapazität mehr hatten. Auch auf dem Gebiet am Willinghusener Weg besteht kaum eine Möglichkeit, Regenwasser dezentral versickern zu lassen – das wurde bereits 2009 durch ein Baugrund-Gutachten festgestellt, das natürlich auch der OWG bekannt ist. Daher sind im Entwässerungskonzept auch Gründächer vorgesehen, außerdem Rückhaltebecken und unterirdische Rigolen.
Es werden durch das Bauvorhaben also keine Flächen versiegelt, die Oststeinbek bisher vor Regenwasser geschützt hätten.
Die Behauptung der OWG ist also falsch.
Behauptung 4: „Oststeinbek erhält eine Büro-Hochhauskulisse“
In der Tat sollen in dem Gebiet ausschließlich „nicht erheblich störende Gewerbebetriebe“ zugelassen werden. Dazu gehören auch Büros, aber denkbar sind auch andere Betriebe, von denen keine nennenswerten Lärmemissionen ausgehen.
Hochhäuser – das sind in Deutschland Gebäude mit mehr als 22 Metern Höhe – werden in dem Gebiet jedoch ausdrücklich nicht zulässig sein. Die Behauptung der OWG, es würden Hochhäuser geplant, ist also falsch.
Was die OWG unter einer „Kulisse“ versteht, ist interpretationsbedürftig. Wir würden darunter eine von jedem Punkt des Ortes sichtbare Art „Skyline“ verstehen, die das Ortsbild insgesamt prägt. Das ist extrem unrealistisch: Zulässig sein wird nach jetzigem Planungsstand (und der wird keinesfalls nach oben angepasst) eine Gebäudehöhe von maximal etwa 21 Metern. Diese Höhe ergibt sich aus der im Entwurf vorgesehenen zulässigen Gebäudehöhe von 49 Metern über NHN und der Lage des Geländes von ca. 28 Metern über NHN (konkret: 27,30 m üNHN im Osten, 28,27 m in der Mitte und 27,79 m üNHN im Westen des Teilgebiets Ost). Das entspricht in etwa der Höhe des Wohnhauses über dem Einkaufszentrum Oststeinbek (21,30 Meter hoch). Dieses Objekt ist natürlich durch seine zentrale Lage sehr markant. Dass der Ort hiervon geprägt ist, kann man aber kaum behaupten – bereits in geringer Entfernung vom EKZ nimmt man das Haus durch Baumbewuchs und andere Gebäude kaum wahr. Beachten muss man, dass das Gelände am Willinghusener Weg etwa fünf Meter höher liegt als das EKZ an der Twiete. Dass hierdurch aber ein ganzer Ort seinen Charakter verändert, kann man als ausgesprochen unwahrscheinlich bezeichnen.
Diese Behauptung kann man nicht als richtig oder falsch einstufen. Es liegt aber – das ist eine politische Bewertung – der Verdacht sehr nahe, dass hier ganz kräftig übertrieben wird, um Ängste zu schüren.
Behauptung 5: In dem geplanten Bürokomplex werden über 2.000 Menschen arbeiten
Wenn man jeden Quadratzentimeter aller Geschosse mit Büroarbeitsplätzen in der kleinsten denkbaren Größe herrichtet, wäre das theoretisch rechnersich möglich. Realistisch ist aber, dass die Zahl ganz erheblich geringer ausfällt.
Das (auch der OWG) vorliegende Verkehrsgutachten geht nämlich derzeit von einer Anzahl von max. 150 Arbeitsplätzen pro Hektar Gewerbefläche aus, was bei der großen Teilfläche südlich des Redders Willinghusener Weg mit 4,6 Hektar Gesamtfläche etwa 700 Arbeitsplätzen entspricht. Das Verkehrsgutachten ist maßgeblich für die Baugenehmigung, daher ist diese Annahme von großer praktischer Bedeutung.
Auf der kleineren Gewerbefläche nördlich des Seniorenwohngebiets, wo ein etwas höheres Maß der baulichen Nutzung möglich ist, sollen ca. 300 Arbeitsplätze entstehen.
Insgesamt wären das etwa 1.000 Arbeitsplätze.
Selbst beim viel größeren „Allianz-Projekt“, das 2009 für diese Fläche vorgesehen war, sollten übrigens „nur“ 1.300 Arbeitsplätze entstehen, maximal 2.000 hätten es mit einer zusätzlichen Erweiterungsfläche im Süden (direkt nördlich des Breedenwegs) werden können.
Wir gehen davon aus, dass im jetzigen, deutlich kleineren Plangebiet, noch weniger Büros entstehen würden. Wenn neben Büros auch noch andere Betriebe enstehen, wird sich die Zahl weiter reduzieren.
Die von der OWG behauptete Zahl ist stark übertrieben.
Behauptung 6: Es wird ein Hotel mit 150 Betten entstehen
Ein Hotel ist derzeit weder konkret geplant, noch ausgeschlossen. Der Entwurf des Bebauungsplans ermöglicht es aber ausnahmsweise, Beherbergungsbetriebe zu errichten. Übernachtungsmöglichkeiten sorgen jedoch für eine Aufwertung der umgebenden Gewerbeflächen. Im Verkehrsgutachten wird derzeit ein Hotel mit 150 Betten berücksichtigt.
Die Behauptung der OWG ist also nicht falsch, aber auch nicht so sicher wie sie dargestellt wird.
Behauptung 7: Der Willinghusener Weg ist seit vielen Jahren vom Verkehr stark belastet und dieser wird zusätzlich ins Stocken geraten
Das stimmt sicherlich. Die Leistungsfähigkeit muss daher in einem Verkehrsgutachten nachgewiesen werden. Auch im Hinblick auf die parallel angedachte Wohnbebauung am Breedenweg.
Unser Fazit
Das Flugblatt der OWG ist geprägt von den Stilmitteln der Übertreibung, Ausschmückung und Manipulation. Niemand muss gut finden, dass Ackerflächen bebaut werden. Es ist auch nachvollziehbar, dass man gegen ein solches Projekt kämpft. Aber wer in einer politischen Diskussion derart fahrlässig mit Fakten umgeht und Bürgerinnen und Bürger mit „frisierten“ Wahrheiten zu ködern versucht, kann ein Glaubwürdigkeitsproblem bekommen.