24.04.2017
Bei Recherchen zum Thema Gemeindereform haben wir kürzlich einen Blick in das Landtagswahl-Programm der CDU Schleswig-Holstein – Bereich „Kommunen“ – geworfen. Darin haben wir zufällig zwei spannende Themen gefunden, die unsere Selbstverwaltung in Oststeinbek konkret betreffen.
1. Die CDU fordert die Abschaffung der Direktwahl des Bürgermeisters
[…] Deshalb werden wir […]
die separate Direktwahl der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister abschaffen und wieder die Wahl des Bürgermeisters durch das Stadtparlament einführen, die nach den Kommunalwahlen für die Amtszeit einer Kommunalwahlperiode erfolgt. (Seite 50 des Wahlprogramms)
Begründet wird diese Forderung mit der Notwendigkeit, die „Handlungsfähigkeit“ der gewählten Vertretungskörperschaften wieder herzustellen. Sind wir „handlungsunfähig“, weil unsere Bürger Jürgen Hettwer direkt gewählt haben? Wir betrachten diesen Vorschlag aus kommunaler Sicht extrem kritisch und können die Begründung nicht nachvollziehen. Der Bürgermeister würde durch diese Reform ein Spielball der kommunalpolitischen Tagesgeschäfts. Er wäre unmittelbar vom Wohlwollen der Mehrheitsfraktionen in der Gemeindevertretung abhängig, weil er stets um seine Wiederwahl durch die Gemeindevertretung besorgt sein müsste. Eine von politischen Mehrheiten losgelöste, fachlich orientierte und eigenständige Arbeit des Bürgermeisters würde erheblich erschwert. Die Bürger hätten keine Möglichkeit mehr, unmittelbar auf die Wahl des Bürgermeisters Einfluss zu nehmen. Ein Stück echte direkte Demokratie und damit Akzeptanz der Verwaltung würde abgeschafft. Gerade in der Debatte um die Abwahl der Bürgermeisterin haben wir in Oststeinbek festgestellt, dass es den Bürgern sehr wichtig ist, einen politisch neutralen Verwaltungschef zu wählen. Auf Landkreisebene konnten wir die Abschaffung der Direktwahl des Landrats im Jahr 2009 verstehen – kein Bürger in den Gemeinden hat sich ernsthaft dafür interessiert, wer die Kreisverwaltung leitet. Bei den Bürgermeistern ist die Situation jedoch völlig anders.
2. Die CDU will die Hürden für Bürgerentscheide erhöhen
[…] Wir brauchen verlässliche Regelungen für Bürgerentscheide. Diese müssen eine verlässliche Äußerung des Willens aller Einwohnerinnen und Einwohner darstellen und nicht nur eines kleinen Anteils. Die demokratische Legitimation eines Bürgerentscheids muss ebenso in jeder Gemeinde gleichwertig sein. Unsere Demokratie ist überall gleich viel wert. Wir werden
– die nach Einwohnern gestaffelten Quoren bei Bürgerentscheiden vereinheitlichen;
– die Quoren wie auch in anderen Bundesländern auf 25 % erhöhen. (Seiten 50 und 51 des Wahlprogramms)
Verlässlich an kommunalen Bürgerentscheiden ist schon heute insbesondere eines: sie finden auf Grund der hohen Hürden für die Einleitung dieser Verfahren kaum statt. In Oststeinbek gab es noch nie einen Bürgerentscheid, lediglich die Abwahl der Bürgermeisterin hattte – wenngleich dies rechtlich ein anderes Verfahren war – Züge eines Bürgerentscheids. Nun will die CDU die Hürde noch höher legen und die Mindest-Teilnehmerzahl von derzeit 20% auf mindestens 25% heraufsetzen. Das klingt erst einmal gut – natürlich ist eine Entscheidung repräsentativer, wenn 5% mehr Menschen abgestimmt haben. Allerdings ist auch dieses Quorum völlig willkürlich. Und natürlich spiegelt eine Entscheidung von 25% der Bürger keinesfalls den Willen aller Einwohner wider – das CDU-Programm ist insoweit nicht konsistent. Wir finden, dass es in der Eigenverantwortung eines jeden Bürgers steht, ob er an einer Abstimmung teilnimmt oder nicht. Wer nicht zur Abstimmung geht, hat kein Interesse am Thema und muss auch nicht geschützt werden, da die Abstimmungen ja wie Wahlen offiziell angekündigt werden. Wahlen sind übrigens auch unabhängig davon gültig, wie viele Wähler sich beteiligen. In Flensburg z.B. nahmen an der letzten Kommunalwahl gerade einmal 36% der Wahlberechtigten teil.
Das Interesse der Bürger an den kommunalen Vertretungen war 2013 auf einem historischen Tiefstand. Nötig ist es aus unserer Sicht, Ideen zu entwickeln, wie Bürgerentscheide leichter durchgeführt werden könnten und mehr Bürger zur Teilnahme an den Abstimmungen motiviert werden könnten.
Fazit: Unsinnig und antiquiert
Das Engagement für Bürgernähe, Bürgerbeteiligung, Verstärkung des Interesses der Bürgerinnen und Bürger an der Kommunalpolitik und die Bemühungen um eine Erhöhung der Wahlbeteiligung würden durch diese Pläne unterlaufen. Es handelt sich bei den Ideen der Landes-CDU um antiquierte Ansichten, die so klingen, als wenn sie von desillusionierten Beamten geschrieben sind, für die Bürger und direkte Demokratie nur eine Last darstellen. Wir verstehen nicht, wie man im Jahr 2017 solche rückwärts gewandten und kontraproduktiven Inhalte in ein Wahlprogramm schreiben kann.